Neue Antriebsformen – Elektromobilität und Wasserstoff (Teil II)

Willkommen zum zweiten und abschliessenden Teil des Blogbeitrags «Neue Antriebsformen». Nachdem wir uns im ersten Teil der historischen Zeitachse des Elektro- sowie Verbrennungsmotors gewidmet haben, beleuchten wir nun nach aktuellem Kenntnisstand die derzeitige Situation rund um die Thematik.

Welcher Technologie gehört die Zukunft: Wasserstoff, Elektro oder einer Kombination? Es gibt hierzu mannigfaltige Standpunkte, ähnlich einer Haltung, ob die Aktienmärkte nach der jüngsten Rekordjagd noch weiter steigen werden oder ob sich doch eine Korrektur am Börsenhorizont abzeichnet. Vorab so viel: Es scheint sich die Tendenz einer künftigen Machtteilung zwischen dem Elektro- und dem Wasserstoffauto zu manifestieren. Selbstverständlich ist der Verbrennungsmotor ebenfalls noch auf der mobilen Party vertreten – durch die Einführung der Euro-Norm 7 werden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren allerdings stets teurer, und das Kaufpreisdelta zu E-Autos wird kleiner. Verstärkt wird diese Entwicklung ebenfalls dadurch, dass eine CO2-Steuer fossile Brennstoffe weiter verteuern wird und bei Fahrzeugen mit alternativen Antriebsformen unter anderem Steuervorteile winken.

In der öffentlichen Wahrnehmung der alternativen Antriebe liegt die Brennstoffzelle aktuell vermeintlich zurück. Doch Experten versprechen sich viel von der Wasserstoff-Technologie. Die Erfindung des Elektromotors ist für beide Antriebsformen relevant, da dieser sowohl im Wasserstoffauto wie auch im vollelektrischen Elektroauto zur Anwendung kommt. Der entscheidende Unterschied zu den gängigen Elektrofahrzeugen (wie beispielsweise Tesla) kommt im Umstand zu tragen, dass Wasserstoffautos den obligaten Strom selbst produzieren, dieser also nicht von einer externen Stromquelle herbeigeführt werden muss. Wasserstofffahrzeuge führen somit ein eigenes effizientes Kraftwerk an Bord mit: die Brennstoffzelle. In dieser entsteht durch den chemischen Prozess der umgekehrten Elektrolyse aus Wasserstoff und Sauerstoff elektrische Energie, welche wiederum in den Elektromotor respektive in die Batterie geleitet wird. Die Batterie fungiert als Zwischenspeicher bis die Energie für den Antrieb benötigt wird. Da die Brennstoffzelle stets Energie nachspeist, fällt die Batterie deutlich kleiner und somit leichter aus als diejenige eines vollelektrischen Fahrzeugs. Nebst der Brennstoffzelle wird auch beim Bremsvorgang elektrische Energie in die Batterie zurückgeführt («rekuperiert»).

Der Wasserstoff kommt aus einem oder mehreren Tanks im Auto, der Sauerstoff stammt aus der Umgebungsluft. «Tank» ist derweil ein gutes Stichwort, denn wie wird ein Wasserstoffauto betankt? Theoretisch ähnlich unkompliziert wie ein herkömmlicher Verbrenner. In weniger als fünf Minuten ist der Wasserstofftank wieder voll und die Reise kann fortgesetzt werden. Doch um Wasserstoff zu tanken, muss zuerst die Infrastruktur erschaffen werden, denn diese steckt wahrlich noch in den Kinderschuhen. Stromladesäulen sind hingegen deutlich einfacher zu finden, was aktuell ein Vorteil für E-Autos ist. Frisch betankt wären beim Wasserstoffauto allerdings gut und gerne über 500 Kilometer Reichweite möglich. Ähnliche Fahrleistungen erreichen auch vollelektrische Fahrzeuge, doch hierfür müssen die Batterien wesentlich grösser sein, was wiederum ein höheres Fahrzeuggewicht und längere Ladezeiten (30 bis 60 Minuten an öffentlichen Schnellladestationen) mit sich bringt. Die Reichweite von gängigen Elektroautos ist zudem wesentlich von der Aussentemperatur beeinflusst. Kaltes Wetter führt zu erheblichen Reichweitenverlusten, was wiederum beim Wasserstoffauto nicht der Fall ist.

Die geschilderte umgekehrte Elektrolyse (elektrische Energie, Wärme und Wasser) ist grösstenteils emissionsfrei. Doch weshalb nur grösstenteils? Die Antwort liefern ähnliche Kritikpunkte wie beim per Steckdosenstrom geladenen Elektroauto – Wasserstoff wird selbst heutzutage noch mehrheitlich mit fossilen Brennstoffen hergestellt, insbesondere durch die Reformierung von Erdgas. Doch auch der Steckdosenstrom ist bei Weitem nicht emissionsfrei: Auch wenn in der Schweiz rund 60 Prozent der Energie mittels Wasserkraft erzeugt wird, stammen weltweit 75 Prozent des Stroms nach wie vor aus der Produktion mit fossilen Brennstoffen. Um umweltfreundlichen Wasserstoff zu erzeugen, werden unter anderem regenerative Energien wie Solar- oder Windenergie verwendet. Wasserstoff ist keine Energiequelle wie Erdöl, Wind oder Sonnenenergie, sondern ein Energiespeicher. Von Natur aus kommt Wasserstoff nur in gebundener Form vor, etwa in Wasser oder Erdgas. Um das farblose chemische Element aus dieser Bindung abzuspalten, ist Energie notwendig. Die verwendete Energie entscheidet, ob «grüner» (regenerativer) oder «grauer» (fossiler) Wasserstoff entsteht.

Auf jeden Fall finden Wasserstoff und die damit verbundene Brennstoffzellen-Technologie nun wieder vermehrt Anwendung in der realen Welt. Die Technik ist jedoch keineswegs neu. Ihre Erfindung reicht bis ins Jahr 1839 zurück und ist damit, wie der Elektromotor ebenfalls, eine sehr alte menschliche Errungenschaft, welche jedoch über die Jahre stets verfeinert wurde. Dass nun Wasserstoff wieder mehr Beachtung geschenkt wird, zeigt sich anhand diverser Projekte. Beispielsweise wurde kürzlich berichtet, dass ab März 2022 in Deutschland der erste Wasserstoff-Zug seinen Fahrplan aufnehmen wird. Da nur 60 Prozent des deutschen Schienennetzes elektrifiziert sind, könnte dies ein wichtiger Schritt in die Zukunft sein. In den USA sollen gar 90 Prozent der Züge nach wie vor mit Diesel unterwegs sein. Dies hat auch seine guten Gründe. Der Ausbau der Infrastruktur ist kapitalintensiv und die neuesten Dieselmotor-Generationen sind nicht zuletzt eine ökonomische Antriebsform. Dessen Image wurde durch den Dieselskandal zwar nachhaltig beschädigt, der Abgasskandal ist jedoch vielmehr der Gier des Menschen als dem Dieselmotor selbst zuzuschreiben.

Wasserstoff- wie auch E-Autos müssen sich im Massenmarkt erst noch bewähren und den Vorschusslorbeeren Taten folgen lassen. Nebst den positiven Eigenschaften ist auch dem Verbesserungspotenzial Rechnung zu tragen. Es gibt nach wie vor viel Luft nach oben, was die Herstellung und Effizienz der Batterien anbelangt. Als Beispiel kann diesbezüglich die Gewinnung von seltenen Erden aufgeführt werden, welche für die Batterieherstellung essentiell sind. Beim Abbau von einem Kilogramm seltener Erden fallen zweieinhalb bis drei Tonnen giftige und radioaktive Abfälle an, weil diese Metalle oft gemischt mit radioaktiven Substanzen in der Erde lagern. Da E-Autos grössere und schwerere Batterien als Wasserstofffahrzeuge verbaut haben, schlägt sich dies auf den ökologischen Fussabdruck nieder. Beide Fahrzeugarten müssen sich zudem künftig preislich deutlich attraktiver anbieten.

Die Brennstoffzelle (Wasserstoff) scheint sich insbesondere im Schwerlast-/Fernverkehr (LKWs mit 40 Tonnen) durchzusetzen. Denn in vollelektrische Schwerfahrzeuge müsste eine überdimensional grosse, gewichtige Batterie verbaut werden, wodurch sich die Ladezeiten exorbitant erhöhen würden. Im urbanen und regionalen Verkehr könnten batterieelektrische Fahrzeuge effektiv einen Mehrwert bieten. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand wäre somit eine künftige Gewaltentrennung zwischen den beiden Technologien absolut denkbar.

Aus der heutigen Sicht ist der vollelektrische Elektroantrieb demzufolge keinesfalls alternativlos. Die Zukunft scheint – der politischen Stossrichtung sei Dank – rosig zu sein für alternative «grüne» Antriebsformen. Doch die Historie hat gezeigt, dass der Verbrennungsmotor ein hartnäckiger Widersacher ist und dabei insbesondere der oft gescholtene, jedoch äusserst effiziente Dieselmotor nicht vollends abgeschrieben werden darf – zumal, wenn es gelingen sollte, industriell und regenerativ synthetischen Kraftstoff herzustellen. So könnten die heutigen Fahrzeuge eins zu eins wiederverwendet werden, ohne auf den Schrotthalden dieser Welt zu verenden. Das Weltklima wäre uns sicherlich dankbar. Und in diesem Fall würden wir nicht dagegen wetten, dass sich die Brennstoffzelle und E-Technologie erneut hinten anstellen müssen.

Neue Antriebsformen – Elektromobilität und Wasserstoff (Teil I)

Elektromobilität ist seit ein paar Jahren in aller Munde und vollelektrische Fahrzeuge werden in unserer Gesellschaft immer stärker nachgefragt. Prädiktionen sagen Elektroautos eine elektrisierende Zukunft voraus. Experten prophezeien beispielsweise, dass in spätestens 17 Jahren die Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen jene der «Verbrenner» hinter sich lassen werden. Der beschriebene Trend wird von einem scheinbar unablässigen Regulierungsdruck der Behörden und durch grosszügige Subventionen verschiedenster Staaten befeuert. Gemäss offiziellen Angaben müssen sich im Vergleich zum Jahr 1990 die Emissionen im Verkehr bis im Jahr 2030 um 40 bis 42 Prozent verringern. Mit einem Paket aus Förderung der Elektromobilität, Stärkung der Bahn und CO2-Abgaben soll dies unter anderem erreicht werden.

Doch ist der mit Strom versorgte Elektromotor alternativlos, oder reziprok formuliert, ist der Verbrennungsmotor noch zeitgemäss? Für Einige sind diese Fragen Herzensangelegenheiten, für Andere wiederum sind sie ideologischer Natur. Da der Umfang der Thematik äusserst weitreichend ist, wird sich dieser Blogbeitrag in zwei unterschiedliche Teile gliedern. Der heutige Blogbeitrag, Teil I, wirft einen Blick zurück in das frühe 19. Jahrhundert und damit in die Geburtsstunden der noch heute bekannten Antriebsformen. Er verfolgt weder das Ziel, die erwähnten Fragestellungen final zu beantworten, noch politische Strömungen zu untermauern. Es soll lediglich ein Blick hinter die Kulissen gewagt und versucht werden, dieser komplexen Materie nachzugehen.

Unternehmen wir einen kleinen Ausflug in die Historie des Elektromotors: Mit den Erfindungen der Batterie (Alessandro Volta anno 1800), der Erzeugung eines magnetischen Feldes aus elektrischem Strom (Hans Christian Ørsted anno 1820) und des Elektromagneten (William Sturgeon anno 1825) waren alle Grundlagen geschaffen, um einen Elektromotor bauen zu können. Die erste nachweisbare Nutzanwendung eines Elektromotors folgte im Jahr 1835, als die beiden Holländer Sibrandus Stratingh und Christopher Becker einen Elektromotor entwickelten, der ein kleines Modellfahrzeug antrieb. Es versteht sich von selbst, dass die damals erfolgten ersten Schritte mit einem Elektromotor vielmehr einer theoretischen Modellanwendung entsprachen und noch weit von einer serientauglichen Lösung entfernt waren. 1839 baute Robert Anderson, ein Schotte, in Aberdeen das erste Elektroauto der Welt. Gleichwohl gilt als erstes «offizielles» elektrisches Strassenfahrzeug das Trouvé Tricycle des Franzosen Gustave Trouvé aus dem Jahr 1881. Das Elektroauto erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 12 km/h und besass eine maximale Reichweite von 26 Kilometern. In der Tat eine technische und physikalische Meisterleistung für diese Zeit – doch freilich vermochte sie die damals als Fortbewegungsmittel unabdingbaren Pferde nicht sonderlich zu beeindrucken. Es mag zudem erstaunen, dass der Elektromotor einige Jahre vor dem Verbrennungsmotor entwickelt wurde – der deutsche Erfinder Carl Benz meldete erst am 29. Januar 1886 auf dem Patentamt seinen «Motorwagen Nummer 1» an. Ebenfalls erstaunlich ist der Fakt, dass sich in den USA selbst im Jahre 1900 immer noch 40 Prozent der Automobile mit Dampf, 38 Prozent elektrisch und nur 22 Prozent mit Benzin fortbewegten. Doch rund 50 Jahre später verrichtete weltweit in nahezu jedem Fahrzeug ein Verbrennungsmotor seine Arbeit. Welche Einflüsse veranlassten diesen Wandel? Hierzu könnten viele Zeilen gefüllt und noch längere Sätze verfasst werden, doch ich möchte Ihnen dies gerne ersparen.

Historiker machen im Wesentlichen drei Faktoren für den damaligen schleichenden Niedergang des Elektroautos verantwortlich. Zum einen sorgte der monopolistische Einfluss der amerikanischen Standard Oil Company (heute ExxonMobil) eines gewissen John D. Rockefeller für eine markante Bevorzugung des Verbrennungsmotors. Das Unternehmen beherrschte um das Jahr 1890 zuweilen bis zu zwei Drittel des globalen Ölmarkts. Zum anderen begünstigte der 1. Weltkrieg die Entwicklung hin zu Verbrennungsmotoren, indem vom Militär Fahrzeuge mit hoher Reichweite und gut transportierbaren Kraftstoffreserven (Benzinkanister) verlangt wurden. Die Mobilitätsvorteile verfestigten sich zunehmend in der Bevölkerung, wodurch auch nach dem Krieg der Verbrennungsmotor stark favorisiert wurde. Der dritte Faktor kann auf den elektrischen Anlasser zurückgeführt werden. Dieser ermöglichte ein gefahrloses, bequemes Starten des Motors, und so gehörte das mühselige Kurbeln der Vergangenheit an.

Nun wagen wir den Sprung zurück in die Neuzeit, in der sich der Elektromotor sein vor mehr als 100 Jahren verlorenes Territorium auf den heutigen Strassen wieder langsam wieder zu erkämpfen scheint. Doch die heutige Situation ist offensichtlich in keinster Weise mit derjenigen vor einem Jahrhundert zu vergleichen. Vielmehr ist der heutige Umschwung hin zur automobilen Elektrifizierung hauptsächlich auf einen Umstand zurückzuführen: die Energiewende und die damit einhergehende gewünschte Abkehr von fossilen Brennstoffen.

Der zweite Teil dieses Blogeintrags widmet sich den neuen Antriebsformen und greift unter anderem auch die Technologie Wasserstoff auf. Besteht für das chemische Element mit dem Symbol «H» eine Daseinsberechtigung oder reduziert sich der zukünftige automobile Verkehr ausschliesslich auf die gängigen Elektrifizierungslösungen? Die Fortsetzung wird Ende Juni folgen.