Der nächste Stromboom

Die Stromnachfrage ist eine Konstante. Wie die Zahl Pi des Archimedes hat sich der Verbrauch seit dem Jahr 2000 kaum verändert. In den USA liegt er bei etwa 4‘000 TWh (Terawattstunden), in der EU bei 3‘000 TWh und in der Schweiz bei rund 60 TWh.

Die technologischen Errungenschaften im Bereich der Energieeffizienz haben in den letzten 20 Jahren die Stromnachfrage im Zaum gehalten. Dies hat eine bemerkenswert reibungslose Transition von der Kohlekraft hin zu erneuerbaren Energien ermöglicht. In Deutschland ist der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix von 3% im Jahr 2003 auf 65% im ersten Halbjahr 2025 angestiegen. Das hätte man damals kaum für möglich gehalten, und der scheinbar vorprogrammierte Systemabsturz ist nicht eingetreten.

Heute geschieht im Stromsektor Bemerkenswertes. Die Konstante, also die Nachfrage, wird zum Beschleuniger.

Prometheus, Hyperion und Stargate

Prometheus ist der Feuerbringer in der griechischen Mythologie. Der Prometheus der Stromwirtschaft ist das gleichnamige Rechenzentrum von Meta im Bundesstaat Ohio. Hier werden ab 2026 Computerchips bis zu 1‘000 MW (Megawatt) Strom in KI-Anwendungen und viel Hitze verwandeln. Dies wird die Stromnachfrage wesentlich befeuern. Diese Anlagen laufen rund um die Uhr. Zur Veranschaulichung: 1‘000 MW entsprechen der Leistung eines grossen Kernkraftwerks.

Bei Meta folgt auf Prometheus das Hyperion Projekt in Louisiana. Hyperion, in der Mythologie so etwas wie der Schöpfer des Lichts, soll bis 2030 die Leistung von 5‘000 MW benötigen, und das Ganze soll mit Lichtgeschwindigkeit entwickelt werden. Die Zeit drängt. Auch in Texas greift man mit dem Projekt Stargate nach den Sternen. Die Aufzählung liesse sich fast beliebig weiterführen. In Modellen geht man davon aus, dass bis 2030 insgesamt 89‘000 MW für KI-Anwendungen benötigt werden. Dies entspricht fast der gesamten Leistung der heute in den USA bestehenden 94 Kernkraftwerken.

Kühlschränke, Klimaanlagen und Rechenzentren

Für den letzten Stromboom der 50er und 60er Jahre waren Kühlschränke und Klimaanlagen verantwortlich. Am gerade beginnenden Stromboom sind die Rechenzentren massgeblich beteiligt. Wir erwarten, dass die Stromnachfrage in den USA bis 2030 um 4-7% pro Jahr wachsen wird. Dies sind bis dato ungeahnte Dimensionen.

Nächster Stromboom in den USA. Quelle: PPT, Clean Grid Initiative und McKinsey. Juni 2025.

Zum ersten Mal seit 25 Jahren wächst die Stromnachfrage stärker als das Angebot. Weder der Strommarkt noch die Investoren sind auf diesen Strukturbruch vorbereitet.

Zeitachsen und Kosten

Grossprojekte in der Wasser-, Kern- oder Gaskraft brauchen viel Zeit. Eine neue Gasturbine wird nicht vor 2030 ans Netz kommen, neue Kernkraftwerke sogar frühestens ab 2035. Bestehende Gasturbinen, die noch nicht ihr maximales Leistungspotenzial abrufen, können nur einen kleinen Teil zur Stromproduktion beitragen. Der grösste Teil der Stromlücke muss von erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden.

Beim Strom ist eine Unterdeckung viel gravierender als bei anderen Energieträgern, da sich Strom nur äusserst schwer speichern lässt.

Wind- und Solaranlagen mit Batteriespeichern lassen sich rasch realisieren. Die meisten Förderungen für erneuerbare Energien haben, entgegen allem „energie-reaktionären“ Zeitgeist, den „One Big Beautiful Bill Act“ überdauert. Die Geschwindigkeit der Realisierung ist aber nicht der einzige Vorteil der erneuerbaren Energien. Sie sind geradezu konkurrenzlos günstig.

An Land gewonnene (on-shore) Windkraft mit einem 4-Stunden Batteriespeicher lässt sich zu 25-50 USD/MWh realisieren. Solar liegt preislich mit demselben Speicher bei 35 bis-75 USD/MWh. Die vergleichbaren Kosten eines neuen Gas-Kombikraftwerks summieren sich heute auf 90-115 USD/MWh. In Iowa oder Colorado produzieren die neuen Windanlagen über 40% der Zeit unter Volllast und erzeugen Strom zu Kosten von unter 30 USD/MWh. Mit Speichertechnologie und KI-Anwendungen in der Nachfragesteuerung lässt sich eine verlässliche Stromversorgung sehr kostengünstig umsetzen.

Zeitrahmen und Kosten von neuen Produktionsanlagen. Quelle: NextEra Energy, August 2025. CCGT: Gaskombianlage, SMR: Small Modular Reactor.

Was sind die Implikationen?

  • Strompreise werden markant steigen. In Nordamerika ist eine Verdoppelung der Preise durchaus möglich. Der Preisanstieg in Übersee wird schneller erfolgen als in Europa. Die Nachfragedynamik ist um ein Vielfaches stärker. Europa wird mit 2-3 Jahren Verzögerung folgen. Auch in der Schweiz werden wir den Nachfragesprung der Rechenzentren in Volketswil, Rafz oder Dielsdorf zu spüren bekommen.
  • Erneuerbare Energien werden unterschätzt und vom Kapitalmarkt unterbewertet. Auch wenn gerne wieder über Kernenergie gesprochen wird, in den nächsten 5-10 Jahren wird über 80% der neuen Produktionskapazitäten von erneuerbaren Energien stammen. Im Jahr 2024 waren es in den USA ganze 94%. Der Kapitalmarkt hat die Wachstumspläne der Stromproduzenten nicht oder gar mit einem Abschlag zu den Investitionen bewertet. Diese Unterbewertung bietet heute einen attraktiven Zeitpunkt zum Einstieg.
  • Neue Marktteilnehmer mit hoher Zahlungsbereitschaft. Steigende Strompreise bergen immer politische Risiken. Den heutigen Stromboom bezahlen aber finanzkräftige Unternehmen wie Google, Meta oder Amazon. Die Regulatoren sind aufgefordert, die richtigen Schritte einzuleiten. Dann können die Stromkosten für alle Marktteilnehmer stabilisiert, wenn nicht gar reduziert werden.
  • Strukturelles Wachstum im Stromsektor bietet weitere lukrative Chancen für Investoren.

Es wird noch einige Zeit brauchen, bis die Marktteilnehmer realisieren, was dieser Strukturbruch für die Anlagen im Stromsektor bedeutet.

Andreas Schneller ist Partner von de Pury Pictet Turrettini & Cie SA und verantwortlich für die ENETIA Fonds. Er ist Portfolio Manager des ENETIA Energy Infrastructure Fund.

Er verwaltet den Fonds seit 2003. Seit 2006 ist er Co-Portfolio Manager des ENETIA Energy Transition Fund. Herr Schneller verfügt über langjährige Erfahrung aus der Stromwirtschaft (EIC Partners AG und ABB). Er hat in St. Gallen Betriebswirtschaft studiert und an der NHH in Bergen (Norwegen) das CEMS Master abgeschlossen. Er ist CFA Charterholder.

 

Digitale Gesundheit im Fokus – Generative AI (GenAI) sorgt für den nächsten Wachstumsschritt

UNIVEST Vermögensverwaltung AI in Health Da Vinci

Neue Technologien erobern die Gesundheitsbranche und verbessern die Pflege bei sinkenden Kosten. Diese Entwicklung ist dringend notwendig, denn demografische Veränderungen wie die Überalterung der Weltbevölkerung erfordern höhere Effizienz und Kosteneffektivität im Gesundheitswesen.

Wo liegen die grossen Herausforderungen und Möglichkeiten im Bereich Digital Health? Wie profitieren wir von den Innovationen, nicht nur im medizinischen Ernstfall, sondern auch als Investoren?

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat uns schon sehr weit vorangebracht und die Behandlungsqualität deutlich verbessert. Analoge Systeme wurden abgelöst durch digitale Röntgenbilder, Cloud-vernetzte kontinuierliche Blutzuckermesssensoren oder die elektronische Patientenakte. Damit einhergehend wurde auch eine enorme Menge an Gesundheitsdaten aufgebaut, die nun als Trainingsbasis für die grossen generativen AI-Modelle dienen. Dies beschleunigt die Innovation im Gesundheitssektor nochmals deutlich.

Die Investitionen in künstliche Intelligenz (KI) und die erfolgreiche Umsetzung bestimmen, wer die zukünftigen Gewinner in der Gesundheitsbranche in den nächsten Jahren sein werden. Aus Investorensicht lohnt es sich also, in die Gesundheitsunternehmen zu investieren, die GenAI bereits in ihre Geschäftsmodelle integriert haben. Die Unternehmen, welche dies erfolgreich tun, werden im Laufe der Zeit als Kursgewinner hervorgehen.

Warum ist GenAI so relevant für das Gesundheitswesen?

Der Gesundheitssektor ist geprägt von enorm komplexen Problemstellungen, zum Beispiel bei der Medikamentenentwicklung. Lange Entwicklungszeiten und hohe Misserfolgsraten lassen die Kosten eines neuen Medikaments in Milliardenhöhe schiessen.

Die GenAI-Technologie kann die vorhandenen Daten aus Studien, Forschung, Entwicklung sowie Patientendaten optimal nutzen. So werden die Präparate künftig nicht nur schneller und gezielter entwickelt, sondern auch die Risiken bei der Entwicklung verringert. Neue Medikamentenkandidaten können schneller identifiziert, erfolgreicher selektiert, im Rechner optimiert und schneller im Laborexperiment getestet werden. Das wiederum generiert grosse neue Datenmengen von höchster Qualität und neue Erkenntnisse. So entsteht ein „Schwungrad-Effekt“, auch für die Aktienkurse von Pharma- und Biotechunternehmen, die erfolgreich in GenAI investieren.

AI gegen Systemineffizienz

Ein weiteres vielversprechendes GenAI Anwendungsfeld ist der Dienstleistungssektor im Gesundheitswesen, wo massive Systemineffizienzen präsent sind. Ein grosser Profiteur ist der Bereich der Medizintechnik. Durch die Optimierung der Behandlungsmethoden wird die Behandlungsqualität deutlich verbessert. Beispielsweise wird GenAI nicht nur in der bildgebenden Diagnostik eingesetzt, sondern auch in AI-geführten Ultraschalluntersuchungen, der sensorbasierten kontinuierlichen Blutzuckermessung, Operationsrobotik oder der Früherkennung von Herzversagen und Krebserkrankungen. In der Konsequenz wachsen diese «Blockbustermärkte» deutlich zweistellig mit dem Potential sich zu verdoppeln.

Operieren mit Unterstützung

Dank der neusten Operationsroboter Generation da Vinci 5 (dV5) von Intuitive Surgical profitieren Patienten und Chirurgen schon heute von GenAI Technologien. Wie ein Tesla in der Umgebung der Fahrstrecke Fussgänger, Autos und Lastwagen erkennen kann, erkennt dV5 automatisch die verschiedenen Gefässstrukturen (Einfärbungen im Bild links). dV5 kann Vorschläge zum nächsten Operationsschritt gemäss den klinischen Richtlinien machen, die Operation überwachen und alle Daten sammeln und schlussendlich auswerten. So lassen sich wie im Bild rechts ersichtlich Aussagen zum Ausbildungsstand des Chirurgen machen und individuelle Trainingseinheiten definieren. In der Summe werden so Komplikationen bei Eingriffen verhindert, was die Behandlungsqualität steigert und die Gesamtkosten der Behandlung senkt.

Während die Chirurgin den dV5 Operationsroboter vollends selbst steuert – der Roboter also im Gegensatz zum Tesla-Beispiel nicht autonom Operationsschritte ausführt – gibt es bereits Operationssysteme wie Hydros von Procept BioRobotics, welche die Operationsplanung und die Entfernung von überschüssigem Prostatagewebe selbständig ausführen können. Die Chirurgin überwacht ausschliesslich den vollständigen Prozess: Sie verifiziert den durch die GenAI generierten Operationsplan, verbessert ihn eventuell, überwacht die automatisch ausgeführte Gewebeentfernung und greift ein, wenn etwas Unvorhergesehenes auftreten sollte.

Wie können Investoren und Investorinnen profitieren?

Der Bellevue Digital Health (und Medtech & Services sowie AI Health) Fond investiert in diesen Megatrend. Aus fundamentaler Sicht bewegen sich die Digital-Health-Unternehmen auf einem stabil überdurchschnittlichen Wachstumskurs, der sich 2024 unverändert fortsetzen dürfte. Die Zulassung und Markteinführung relevanter neuer Produkte wird für ein weiterhin hohes Umsatzwachstum sorgen. Beispiele sind die erwähnten Blutzuckersensoren Stelo und G7 von Dexcom, das neue roboterbasierte Chirurgiesystem da Vinci 5 von Intuitive Surgical und Hydros von Procept BioRobotics.

Wir rechnen für das verbleibende 2024 und das gesamte 2025 mit Rückenwind für unsere Anlagelösung. Faktoren wie die erste US-Leitzinssenkungen infolge einer Abschwächung der US-Wirtschaft (Wachstumsaktien profitieren üblicherweise überdurchschnittlich), attraktive Bewertungsniveaus (Umsatzmultiples nahe dem historischen Tiefststand), erwartete Beschleunigung der M&A- und IPO-Aktivitäten, Repositionierung der Investoren aus den Überfliegern der vergangenen Monate in Aktien von hoher Qualität sprechen für eine Investition in den Bellevue Digital Health (Lux) Fonds.

Stefan Blum ist Senior Portfoliomanager des Bellevue Medtech & Services (Lux), Bellevue Digital Health (Lux) und Bellevue AI Health (Lux) Fonds.